Reise 2007: Andalusien – nicht nur ein Märchenland

Al-Andalus – auf den Spuren der Geister

Böse Geister, so erzählt Führerin Fatima im Alcazar, dem Königspalast in Sevilla, können nur geradeaus gehen. Daher die vielen winkligen Gänge und vor allem die zahllosen Stufen und Schwellen zwischen den Räumen. Wohl kaum jemand von uns 30 reisenden Freunden Abrahams ist nicht irgendwo über eine von diesen Schwellen gestolpert.

Ob diese „Winkelzüge“ ihre Wirkung getan haben, im alten Al-Andalus? Vieles hören wir von gutem, nachahmenswertem Geist auf unserer Reise von Malaga bis Faro in Portugal – vom Zusammenleben christlicher und islamischer Kulturen über Jahrhunderte hinweg – aber auch vieles von Verfolgung, Zerstörung, Diskriminierung.

Kirchen, die zu Moscheen wurden, die wiederum zu Kirchen umgebaut wurden, einmal sogar auf dem Umweg, auch Synagoge gewesen zu sein. Kirchen, die abgerissen wurden im Zuge der Islamisierung, Kirchen, die in maurische Festungen hinein gebaut wurden, oder, wie in Córdoba: mitten in die Moschee hinein, so dass die gesamte riesige „Mesquita“ jetzt „Kathedrale“ ist.

Ein Foto zeigt die Giralda, den Turm der Kathedrale in Sevilla, die anstelle der vorherigen Moschee errichtet wurde – das Minarett wurde – nur um einen Glockenstuhl erweitert – übernommen!

In Córdoba heißt es: Die Kathedrale (Fotos) schützt und erhält die alte Moschee; ohne diese Umfunktionierung gäbe es sicher nicht mehr das unglaubliche Bau- und Kulturdenkmal dieses über 20.000 qm großen Moscheeareals, mit wunderschöner Gebetsnische, geschmückt mit byzantinischen Mosaiken. Andererseits hat die Kathedrale in jedem Winkel eine Kapelle, ein christliches Relief im maurischen Bogen hinterlassen, zur Demonstration des Sieges des Christentums über den Islam.

Szenenwechsel: Granada, die letzte islamische Hochburg in Andalusien im 15. Jahrhundert. Die „katholischen Könige“ fanden bei der Eroberung 1492 in der Alhambra, der „roten Burg“, ein kleines Paradies aus Licht, Wasser, Düften, Farben, eine Behaglichkeit, wie Resteuropa sie nicht kannte. Sie nutzten das aus und verschoben die bauliche Vereinnahmung auf später.

Da Granada weder für Ferdinand und Isabella noch für den berühmten Karl V, ihren Enkel, jemals zum Hauptsitz ihres Herrschaftsbereichs wurde, hielten sich Um- und Neubauten in Grenzen, und so können wir auch heute noch eine Spur orientalischen Charmes hier erleben: in den Gärten mit duftenden Kräutern und murmelnden Brunnen, in den geschmückten Zedernholzdecken, Stucksäulen und Azulejo-Kacheln. Trotzdem sind viele ehemals bunt verzierte Wände heute leer: man hat die Kacheln woanders brauchen können.

Die Fotos unten zeigen den Myrtenhof, eine kalligraphisch verzierte Wand, und die typischen Azulejo-Kacheln.

Granada heute: Seit 2003 gibt es wieder eine Moschee (Foto), mit typisch maurischem Minarett – ein Baustil, den die Kirchtürme hierzulande in gleicher Weise haben – und unauffällig in die Straßenzeile eingefügt, erbaut nach 23 Jahren Widerstand aus der Nachbarschaft. Ein Mitglied der Gemeinde, Konvertit und gebürtiger Spanier, findet positive Worte: es gibt nur einen Gott, und nur eine Religion, und alle Propheten, die zu uns gesprochen haben, sind Propheten dieses einen Gottes.

Aber er ist auch überzeugt davon, dass der Islam der Gipfelpunkt dieser Religion(en) ist, dass er die Überwindung der anderen Religionen darstellt, dass nichts Besseres nachkomme und alle aufrecht Glaubenden ihren Weg zum Islam finden werden.

Maurische / islamische Herrscher gründeten Schulen für islamische, jüdische und christliche Philosophie, versammelten dort die besten und klügsten Gelehrten ihrer Zeit, christliche Herrscher in der Zeit danach taten es ihnen nach. Arabisch war die Sprache der gebildeten Leute; hier wurden die Texte griechischer Gelehrter des Altertums übersetzt, wurden die Grundlagen unserer heutigen Kultur gelegt.

Aber auch Versprechen wurden gebrochen: Boabdil, der letzte maurische König in Granada, handelte für die kampflose Übergabe seiner Stadt aus, dass alle Bewohner ihren Glauben weiter leben durften. Das wurde von den neuen christlichen Herrschern gern bald wieder vergessen. Jüdische Gemeinden wurden geschützt, so lange jüdische Handels- und Bankdienste gebraucht wurden, aber gegen Vertreibungswellen waren sie nie gefeit. Die kleine Synagoge in Córdoba aus dem 13. Jahrhundert können wir heute noch sehen, weil sie später als christliche Kapelle genutzt wurde. Eine jüdische Gemeinde existiert nicht mehr. Die jeweils nicht herrschende Religion durfte ihre Gotteshäuser nutzen und pflegen, aber keine neuen bauen.

Die 800 Jahre währende, wechselvolle arabische Herrschaft in Andalusien wird in Spanien viel eher als 800 Jahre „Reconquista“, Rückeroberung, angesehen, nicht als Zeitalter des Fortschritts und der blühenden Kultur, sondern der Unterdrückung durch Fremdherrschaft.

Wie es dazu kam, dass das Christentum – oder besser: die Herrscher, die es sich auf ihre Flagge geschrieben hatten – zur Weltreligion wurde, konnten wir im „Monasterio (Kloster) de la Rábida“ nachverfolgen: hier gelang es Christoph Kolumbus (Christobal Colon nennen ihn die Spanier), den Beichtvater der spanischen Königin für seine Seefahrtspläne zu gewinnen, die zur Entdeckung der „neuen Welt“ führten und dort wiederum zur Zwangsbekehrung der einheimischen Völker.

Eine Menge guten Geistes ist uns begegnet, eine Menge böser Geister sind den mittelalterlichen Stolperschwellen entkommen. Vielleicht sind Reisen wie die unsere, Gespräche und Ziele wie die unseren, inne halten und kulturelle Erbschaften respektieren, nicht einfach mit dem Strom der Zeit gegen alles „Fremde“ zu schwimmen – vielleicht sind diese Dinge Stolperschwellen für die heutigen bösen Geister?

Prüfet alles, und behaltet das Gute.

Brigitte Hutt


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