Abrahams Post 43

 

EDITORIAL:

 

Abrahamischer Widerstand!

Mit dieser Begriffsschöpfung von Manfred Görg war die Presseerklärung zur Gründung der Gesellschaft Freunde Abrahams überschrieben – damals gegen ein nach dem 11. September 2001 pandemisch um sich greifendes Konfron­tations­denken („clash of civilizations“) gerichtet. Nach den Migrationsbewe­gung­en im Herbst 2015 riefen wir unter demselben Leitwort dazu auf, den Ängsten und Gefahren der Zeit mit noch mehr Menschlichkeit zu begegnen und uns denen in den Weg zu stellen, denen es um die eigene Macht, um den eige­nen Profit oder um den eigenen Unverstand geht. Angesichts der Kräfte, die heute unsere Gesellschaft immer stärker zu zerreißen drohen – die Umfragewerte für Rechtspopulisten und -radikale steigen! – wird die dringende Brisanz dieses Aufrufs erneut gegenwärtig. Ein offensives Mitein­ander ist gefordert als Widerstand gegen Diffamierung und Ausgrenzung von Menschen wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Identität. Journalistische Standards und wissenschaftliche Aufrichtigkeit als Wider­stand gegen Fake News und Ver­schwö­rungs­schwurbeleien in der Boden­losigkeit des Internets. Offenheit für Neues und Bereitschaft zum Umdenken und neu Handeln als Widerstand gegen die Blockaden des eigenen, engen Horizonts. Und die das alles transzen­dierende Zuversicht – über alle scheinbar unvermeid­lich verhängnis­vollen Entwicklungen hinaus –, die die Religionen bereithalten, als Widerstand gegen Hoffnungslosigkeit und Resignation und gegen den bequem­lichen Fatalismus, wir könnten ja doch nichts aufhalten.

Stefan Jakob Wimmer


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BERICHTE  –  NOTIZEN  –  TIPPS

Berichte von Veranstaltungen

Sinti und Roma – gehören zu München wie Bier und Brezen …?

von Edveta Wimmer

Die ersten Vorfahren dieser Münchner*innen kamen im späten Mittelalter und sind seitdem Teil der Gesellschaft. Nun ja, fast! Schon von Anfang an lediglich geduldet und großem Misstrauen ausgesetzt, fristeten sie ihr Leben über die Jahrhunderte eher am Rande der Gesellschaft. Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts und einer aufkommenden rassistisch-motivierten Diskriminierung und Ausgrenzung wurde die Situation noch schlimmer und fand ihren abscheulichen Höhepunkt in der Vertrei­bung, Deportation und Tötung in Konzentrationslagern durch die National­sozia­listen. Es ist keine schöne Geschichte, die an dieser Stelle erzählt werden könnte, es ist aber Geschichte, aus der die Verantwortung erwachsen ist, der sich die Münch­ner*in­nen bei weitem noch mehr gewahr sein dürfen. Ausgrenzung, Diskriminierung und Antiziganismus sind immer noch Realität im Alltag von Sinti und Roma, die von der Mehrheits­gesellschaft kaum wahrgenommen werden. Handeln ist gefragt, mit Wort und Tat, von jedem Einzelnen. Das und noch viel mehr habe ich von der Begegnung der Freunde Abrahams mit Münchner Sinti und Roma im Rahmen der diesjährigen Veranstaltungsreihe „Jeder nach seiner Façon“ mitgenom­men. Dass die Freunde Abrahams mit dieser Veranstaltung einen bescheidenen, aber von unseren Gästen sehr geschätzten Schritt in die richtige Richtung gemacht haben, zeugt davon, dass durch Begegnung und Austausch sehr viel erreicht werden kann; nicht zuletzt wirkt es für alle, die sich mit viel Kraft, Zeit und Herz für ein Miteinander engagieren, sehr motivierend.

Begegnung schafft Vertrautheit, Austausch Achtsamkeit, Beisammensein Verbun­den­heit. – Ist es wirklich so einfach?

Keine und keiner von uns ist von Berührungsängsten oder bewussten und unbewuss­ten Vorurteilen gegenüber dem „Andersartigen“, ob in religiöser, visueller oder kultureller Hinsicht, wirklich gefeit. In Bezug auf Sinti und Roma bin ich nun achtsamer als vorher und denke, dass ich auch mein Umfeld positiv prägen kann. – Ja, so einfach kann es sein! Ich möchte an dieser Stelle jede und jeden ermuntern, die Gelegenheiten, die die Freunde Abrahams, aber auch andere Organisationen, für Begegnungen mit den „Anderen“ schaffen, wahrzunehmen.

Großen Dank möchte ich an dieser Stelle an die vielen Helferinnen und Helfer richten, die sich im Rahmen der Veranstaltung und bei der Aufstellung einer Fotoausstellung mit dem Titel „Gern gesehen“ eingebracht haben. Dank geht ebenfalls an das Team von „Madhouse“, einer Organisation, die Sinti und Roma im Alltag Unterstützung bietet und sich in der Öffentlichkeit für deren Belange einsetzt, darunter dem Vorsitzenden Alexander Diepold, der uns aus erster Hand von seinen bewegenden Erfahrungen im Umgang mit ukrainischen Flüchtlingen mit Sinti- und Roma-Hintergrund berichtete. Ein Dank geht an Marian Offman, den Beauftragten der Landeshauptstadt für den interreligiösen Dialog, der bei der Eröffnung der Ausstellung engagierte Worte gesprochen hat. Und an die einzig­artige Sinti-Musikergruppe „Sandor Lehmann & Friends“, die auf ihre Weise ganz besonders zu diesem unvergesslichen Erlebnis beigetragen hat!


Keine Zeit für … Fragen des Lebens

zum Seminar mit Prof. Karimi von Edveta Wimmer

Auch dieses Jahr ist es den Freunden Abrahams, mit einigen zusätzlichen Anstren­gun­gen, gelungen, „auf den Spuren der islamischen Gelehrsamkeit“ zusammen mit Prof. Dr. Milad Karimi zu wandeln, wenn auch nur für einen halben Tag. Die Corona-Lethargie scheint noch immer um sich zu greifen, denn die Menschen sind weiterhin schwer für Außer-Haus-Veranstaltungen zu begeistern, selbst wenn sich diese, wie unser Seminar, mit den fundamentalen Fragen der Existenz, also uns, beschäftigen. Ich muss zugeben, ich lasse mich selbst zu leichtfertig von der Raserei der Alltagspflichten mitnehmen. Doch genau deswegen ist Raum, der uns zum gemein­samen Innehalten und Nachdenken und Austauschen über das „warum und überhaupt“ bewegt, umso wichtiger.

Wer sind diese islamischen Gelehrten, deren Worte und Werke vor hunderten von Jahren entstanden sind, und noch berechtigter ist die Frage: „Was haben diese und deren Worte mit unserem Leben heute gemein?“ In Wikipedia werden sie als Dichter, Denker, Philosophen und Mystiker bezeichnet. Der Mystik sind unsere Gelehrten also auch verfallen? In einer wissenschaftlich-rationalisiert-technisiert-digitalisierten Welt, die schon von Schwurbeleien genügend untergraben wird, sollen uns auch noch islamische Mystiker etwas über unser Dasein erzählen können? Was würden sie erzählen, wenn wir hören wollten?

Vielleicht Poesie, vielleicht Poesie, die über das Wort hinausgeht…

Schwer zu sagen, solange man sich auf diese Menschen nicht einlässt.

In unseren Seminarraum im Haus der Kulturen und Religionen haben wir Farid ad-Din Attar eingelassen, einen Apotheker, der wahrscheinlich im 12. Jahrhundert in Persien gelebt und viele schriftliche Werke hinterlassen hat. Ihn in ein paar Sätzen beschreiben zu wollen, würde ihm nicht gerecht werden. Das, was wir allerdings durch Einleitung und Anleitung von Prof. Karimi beim Seminar erfahren und erarbeitet haben, scheint unserem/meinem Menschenwesen so nah und vertraut, dass er wohl mich gemeint hat, als er manch eine Zeile verfasste. Seine Worte erschrecken hier und da, nicht weil sie unwahr sind, im Gegenteil. In einem seiner berühmten Werke, den „Vogelgesprächen“, erzählt er von Vogelreisenden über sieben Täler zu einem Königsvogel, sinnbildlich für die Lebensreise des Menschen. Er ist ein gewandter Wortakrobat, der über Wortspiele in die Erzählung einen tieferen Sinn mitverwebt; so schaffen es nur 30 Vögel (pers. si murgh) bis zum Königsvogel (pers. Simurgh). Im Angesicht des Göttlichen spiegelt sich das eigene Selbst – so oder so ähnlich; schöner sagte es der Prophet Muhammad: „Gotterkenntnis ist Selbsterkenntnis“.

An dieser Stelle schlage ich nun den Bogen zurück zum Anfang dieses Textes mit dem Verweis auf die Bedeutung von Sinnfragen und des dafür notwendigen Zeit­managements.


Ein Lehrstuhl für Abrahamitische Religionen

Zum Gastvortrag vom Dr. Dennis Halft OP am 21.6.2023 von Stefan Jakob Wimmer

Geplant war es schon lange. Als an der Theologischen Fakultät Trier ein „Lehrstuhl für Abrahamitische Religionen“ eingerichtet wurde, lag nahe, dass uns das beson­ders interessieren würde. Der Dominikaner, Islamwissen­schaft­ler und katholische Theologe Dr. Dennis Halft OP, der den Lehrstuhl mit Ruf verwaltet, wurde Mitglied der Freunde Abrahams, und wir hofften, ihn schnell nach München einladen zu können. Corona verzögerte dann auch das.

An der LMU in München wurde unlängst der Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts mit Prof. Dr. Miriam Schambeck sf neu besetzt, und in Kooperation mit ihr konnte Dr. Halft nun am 21. Juni im LMU-Hauptgebäude zu „Innerislamische Spannungen und Ressentiments als Herausforderung für das interreligiöse Lernen“ Stellung nehmen. Kompetent stellte er Hintergründe und Zusammenhänge dar – grade nicht so sehr aus einer katholischen Außenperspek­tive, sondern als profunder Kenner islamischer Lebenswelten, die er sich nicht nur aus akademischer Distanz erwarb, sondern vor Ort, zum Beispiel in Kairo, durch lange Aufenthalte und enge Einbindungen er-lebt hat.

Die spezielle Ausrichtung des Lehrstuhls „mit Schwerpunkt Islam und inter­religiöser Dialog“ ist darauf zugeschnitten, und der neu eingerichtete Masterstudiengang „Interreligiöse Studien: Judentum, Christentum, Islam“ verspricht als forschungs- wie praxisorientiertes Studienprogramm wertvolle Beiträge zu „einem wissenschaftlich informierten Dialog auf Augenhöhe und einem konstruktiven, respektvollen Mitein­ander in unserer religiös pluralen und zugleich stark säkularisierten Gesellschaft“ (https://theologie-trier.de/faecher/faechergruppen-und-faecher/biblische-theologie/lehrstuhl-fuer-abrahamitische-religionen-mit-schwerpunkt-islam-und-interreligioeser-dialog).

Dr. Dennis Halft, dem Lehrstuhl und seinen Studierenden wünschen wir Erfolg und segensreiches Wirken und verbinden das mit einem Dank auch an Prof. Miriam Schambeck für die Kooperation.


Alto, Birgitta und ein Abraham – Bericht über die Tagesfahrt vom 2.7.2023

von Albrecht Busch

Ein Missverständnis hat die Abfahrt verzögert, ein Regenguss das Programm verwirbelt, ein Volksfest den Weg versperrt, aber sonst …

Das Dachauer Hinterland, das Land zwischen Amper und Glonn, ist reich. Die Kartoffeln haben geblüht, der Winterweizen war eingefahren, das Grummet stand grün, die Freilandhaltungen waren weiß von Hennen, und jeder größere Ort hat seine angestammte Brauerei. – Tertiäres Hügelland.

Reich ist es auch an Wallfahrtsstätten, Kirchen und Klöstern, teils säkularisierten. Immer wieder begegnet uns hier der 30-jährige Krieg, der 1632 von Augsburg nach München schwappte, alles zerstörend. Die Not hatte die Menschen beten gelehrt. Landesherr Maximilian I. (1597 – 1651), Feldherr der Liga über die gesamte lange Kriegsdauer, hatte sein Land erneut dem Schutz Mariens, der Patrona Bavariae, anvertraut. Galten ihr die Bitten und Gebete der Menschen um Frieden?

Maria Birnbaum. Ein kleiner Marien-Bildstock von 1600 war von den Schweden ins Moor geworfen worden; die Bauern zogen ihn heraus, und die Kapelle des Deutschordens um die inzwischen wundertätige Figur zog bald so viele Wallfahrer an, dass ab 1661 die große Kirche gebaut werden konnte. Außen geben die Kuppeln, Türme und die Lunette ein nahezu orientalisches Bild ab. Seit 1999 ist die Kirche wieder in Händen und in Seelsorge des Deutschordens.

Taxa (Odelzhausen). Auch hier eine Marienwallfahrt aus dem 30-jährigen Krieg. Begonnen hat sie mit dem Stern-Wunder: Der vergessliche Herr von Hundt wurde an sein „Verlöbnis“ erst wieder erinnert, als 1616 „eine Henne ein Ei legte, auf dem ein Marienbild im Strahlenkranz zu sehen war.“ Und zudem war es (vermutlich nachweisbar) wundertätig. Tatsächlich gibt es solch verkrumpelte Eier in dieser Gegend häufiger. Erst Kapelle, 1654 Kirche, 1660 Kloster der Augustiner-Barfüßer. Als solcher lebte auch Abraham a Sancta Clara kurz dort zu Predigten in seiner derben Sprache. Heute erinnert eine kleine Kapelle an die Stelle des Klosters.

Was volksnah und was Volksfrömmigkeit ist, erlebten wir in Geiselwies, einer Wall­fahrt zum gegeißelten Heiland seit 1738, mit seinen frischen Gebetszetteln und Gips-Engelchen. Idyllisch liegt die Kapelle ganz allein im Wiesengrund am Wald­rand, ist auch nur über einen Schotterweg erreichbar.

Altomünster. Hoch überm Tal baute um 750 der iro-schottische Missionar seine Kapelle; die Quelle liefert noch heute heilendes Wasser. Später Benediktiner­kloster, dann Birgittinnen-Kloster bis 2017. Wir stiegen all die Treppen vom Marktplatz an bis in die Kirche sich fortsetzend, hinauf in eine herrliche Barockkirche von Joh. M. Fischer mit Figuren von J. B. Straub.

Und – krönender Abschluss – Burg Wittelsbach, heute nur eine archäologische Fläche mit Gedenkstätten. Der Stammsitz derer, die von 1180 bis 1918 Herzöge, Kurfürsten, Könige des je unterschiedlich großen Bayern waren. Von Oberwittels­bach dann zu Fuß nach Unterwittelsbach, ins Sissi-Schloss des Zither-Maxl zum Kaffee.

Herzlicher Dank unserem Vorsitzenden Prof. Dr. Stefan Wimmer.


Politischer Islam – politisches Christentum? Theologie der Weltgestaltung

zum Vortrag von Pater Felix Körner SJ in den Nymphenburger Gesprächen von Karin Hildebrand

In einem 80-minütigen frei gesprochenen Vortrag vermittelte Pater Körner ungemein viel Information zu den Themen Politik, Religion, Islam, Christentum und streifte auch das Judentum. Zitate aus dem Koran in Originalsprache und Übersetzung belegten seine Ausführungen und zeigten eindrucksvoll sein fundiertes Wissen, aber auch seine Hingabe zu den von ihm bearbeiteten Themen.

Aus der Vielfalt der Informationen haben mich insbesondere folgende Aspekte beeindruckt:

Laut Pater Körner dient Politik der Weltgestaltung, Religion der Realisierung des Heiligen. Gleichwohl ist für ihn Politik als Möglichkeit der Weltgestaltung nicht nur Aufgabe des Staates, sondern aller gesellschaftlichen Gruppierungen, wie eben auch der Religionsgemeinschaften. Unterschied ist, dass der Staat befugt ist, seine Politik mit den Möglichkeiten, die ihm das System der Gewaltenteilung bietet, durchzusetzen. Nichtstaatlichen Organisationen stehen Inspiration, Orientierung und Relativierung als Handlungsoptionen und Durchsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Das bedeutet, dass sich die Mitglieder entsprechender Organisationen, also auch der Religionsgemeinschaften, freiwillig entscheiden, sich inspirieren zu lassen, die Orientierung anzunehmen. Es beinhaltet auch die Pflicht, Beschlüsse und Handlungen des Staates aufmerksam zu verfolgen und zu relativieren, sprich gegebenenfalls Kritik zu üben und Modifizierungen anzustreben.

Andrerseits gibt es auch Felder, die zu bearbeiten der Staat keine Legitimierung hat und die den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen zu überlassen sind; eine Durch­setzbarkeit mit in diesem Fall nicht angemessener staatlicher Gewalt ist schwer zu erreichen und muss ebenso kritisch betrachtet, relativiert und in Frage gestellt werden.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass diese Vorgaben von allen Seiten immer wieder missachtet wurden und somit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führten (Über- Unterordnung Kirche/Staat, Kreuzzüge, Dschihad).

Schlussendlich ergibt sich daraus, dass für die Weltgestaltungskraft der Religionen Gewalt keine Option ist. Sie können unter Einbeziehung des Geschehens der Ver­gan­genheit inspirierend wirken, um Veränderungsprozesse, die Zukunft betref­fend, konstruktiv zu begleiten.

Um der Pluralität gerecht zu werden, bedarf es der Wahrnehmung, der Anerkennung sowie des Relativierens des/der anderen. Die Weltgestaltungskraft kann ihre Wirkung also nur entfalten, wenn die Mitglieder den Anderen, das Andere achten, anerkennen, sich damit auseinandersetzen und sich aktiv beteiligen.

 


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Blick über den Tellerrand

Abraham auf der Insel des Glücks

von Yvonne Baur-Saleh

Weiße Sandstrände. Villen und Luxushotels. Eine Dependance des Louvre. Das bietet Saadyia Island, die „Insel des Glücks“, vor der Küste von Abu Dhabi.

Für dieses Glück schuften Menschen aus Bangladesch und Sri Lanka, aus Indien und Pakistan. Ausbeutung und unwürdige Arbeitsbedingungen in den Emiraten kritisieren Menschenrechtsorganisationen seit Langem.

Direkt neben dem Louvre eröffnete am 1. März 2023 das Abrahamic Family House, ein Ort des Gebets, des Lernens und des Dialogs. Den 2019 ausgelobten Architek­ten­wettbewerb hatte der renommierte britisch-ghanaische Architekt Sir David Adjaye gewonnen.

Auf einer Plinthe stehen drei in Form, Größe und Material identische Sakralbauten, Würfel aus weißem Kalkstein mit einer Kantenlänge von 30 m. Die Fassade der Moses Ben Maimon Synagoge bilden deckenhohe, in V-Form angeordnete Streben. An jeder Gebäudeseite ergeben sich „sieben Punkte, die den Boden berühren, und acht Punkte, die die Decke berühren – wobei sieben ein repräsentatives Symbol für den Menschen ist und acht für Gott, der über ihm steht“, erläutert das Architekturbüro.

Der Lichteinfall erzeugt im Innenraum ein Rautenmuster, welches an die übereinan­der geschichteten Palmwedel zum Bau der Sukkot, der Laubhütten, erinnern soll. Einen reizvollen Kontrast zur geometrischen Formensprache kreiert der organische Schwung eines Netzes, das aus hunderten feiner Ösen aus Baubronze „geknüpft“ ist. Lichtdurchdrungen fließt es als Zeltbahn von einem Dachfenster herab und ist eine Referenz auf das Zelt Abrahams und dessen Gastfreundschaft.

War in der Synagoge der Werkstoff Metall raumprägend, so ist es in der St. Franziskus Kirche Eichenholz: Von der Decke hängt ein Cluster aus Holzlatten, derart gestaffelt, dass es um Altar und Kreuz herum ein lichtdurchflutetes Dreieck frei lässt – sicherlich ein Verweis auf die Trinität.

Die senkrecht montierten Holzlatten sollen laut Architekt die Vorstellung von „einer Dusche ekstatischer Erlösung“ evozieren und durch Form und Material auch an den Bau der Arche Noah erinnern.

Im Gebetsraum der Ahmad Al-Tayyeb Moschee fließen vier monumentale Pilaster zu Parabeln zusammen und erweitern sich zu neun stalaktitenförmigen Gewölben. Eine Anspielung auf die Muqarnas, ein typisches Stilelement islamischer Architektur. Die Parabel an der Mekka zugewandten Seite fungiert als Gebetsnische.

Die Außenhaut des Gebäudes besteht aus 470 durch Ornamente durchbrochene Paneele, welche die Muschrabiyya, traditionelle Gitterfenster, zitieren. Das Sonnen­licht projiziert hier ganz zauberhaft die Muster auf den Boden und die Wände der Moschee.

Mein Favorit ist das Zelt Abrahams in der Synagoge – in seiner Ästhetik, wie auch in seiner Botschaft. Mögen wir einander im inter-menschlichen Dialog gute Gast­geber*innen sein!


„Schaut auf die Sterne!“
Würde sich Abraham auf der Straße festkleben?

von Stefan Jakob Wimmer

Was bedeutet Migration – wie umgehen mit denen, die es hierher geschafft haben und mit denen, die gerne kämen? Über die Frage, wie unsere Sprache zu mehr Gerechtigkeit beitragen kann, ob sie angepasst werden soll und damit Gleich­berechti­gung verwirklicht werden kann oder nicht, geraten manche in fast heilige Wut. Und was muss passieren, damit dem Klima­wandel effektiv entgegengewirkt wird? Solche Fragen spalten die Gesell­schaft, wie es scheint, in immer unversöhn­lichere Lager. Symptomatisch dafür stehen die Stimmen zu den „Klimaklebern“: Für die einen sind es junge Menschen, die, weil sie begriffen haben, worum es geht, bewusst Grenzen überschreiten und dafür Gefängnis, Terrorverdachtsnähe und eine unsichere persönliche Zukunft in Kauf nehmen. Für andere sind sie unvernünftig und ihre Aktionen ärgerlich, weil sie damit ihrem Anliegen, das doch so wichtig ist, nicht nützen, sondern schaden. Für wieder andere gehören sie schlicht weg­gesperrt oder sollten überfahren werden, damit der Verkehr weiter rollen kann.

Die Religionen kennen Abraham und Sarah und Hagar als Personen, die mit den Konventionen ihrer Zeit und ihrer Region radikal gebrochen haben. Nicht weil die damalige Welt auf eine selbstverschuldete Katastrophe zusteuerte – da müsste man auf Noah rekurrieren. Sondern weil sie glaubten. Deshalb ließen sie los, was ihnen wertvoll und vertraut war und ließen sich auf das ein, was ihnen abverlangt wurde, und auf das, was ihnen verheißen war.

„Schau auf den Himmel und zähl die Sterne, wenn du kannst!“ (Gen 15,5), so wurde Abraham von Gott angesprochen, als er sich nicht vorstellen konnte, wie denn möglich werden könnte, wofür er auf der Welt war. Natürlich konnte er die Sterne – „so zahlreich werden deine Nachkommen sein!“ – nicht zählen. Aber „er glaubte dem Ewigen“ und ging seinen Weg, ohne angesichts der scheinbaren Unmög­lich­keit, Aussichtslosigkeit, Hoffnungs­losig­keit an dessen Sinnhaftigkeit zu zweifeln.

Nun, wie Abraham und Sarah und Hagar zu Fragen der Migration gestanden haben werden, ist nicht schwer sich vorzustellen – stellen die Heiligen Schriften sie ja geradezu als archetypische Migrant*innen dar. Aber Gender­sternchen, große Binnenbuch­staben und -doppelpunkte hielten die Schriften ihrer Zeit schlicht nicht bereit. (Wohl aber Klassifikatorenzeichen, die „männlich“ oder „weiblich“ mar­kierten oder weggelassen werden konnten.) Sekundenkleber stand auch noch nicht zur Verfügung, so wenig wie überlastete Verkehrsadern – so dass über die im Untertitel gestellte Frage allenfalls Überlegungen angestellt werden könnten, über die dann zu diskutieren wäre – mit gebotener Offenheit vor der Gegenmeinung, weil wir es nicht wissen. Respektvoll, ganz ohne Wut.


Ja, ich bin parteiisch!
75 Jahre Staat Israel und die Nakba der Palästinenser

von Stefan Jakob Wimmer

Der Nahostkonflikt ist Teil meiner eigenen Biografie. Anders als viele, die sich oft sehr apodiktisch dazu zu Wort melden und ihre Sicht der Dinge als die einzig gültige durchsetzen möchten, wurde ich mit beiden Seiten von innen her vertraut und kenne die Perspektiven der einen so gut wie die der anderen. Ich sitze nicht „zwischen zwei Stühlen“, wie mir oft gesagt wird – ich sitze auf beiden Stühlen mit drauf, was noch erheblich schwieriger sein kann.

Wann immer ich mich zum Nahostkonflikt äußere, riskiere ich, von der einen oder anderen Seite beschuldigt zu werden, offen oder (was noch schlimmer ist) hinten­herum. Da heißt es, ich stünde doch wohl, da ich an der Hebräischen Universität studiert und promoviert habe, fließend Hebräisch spreche und in Projekte mit israelischen Institutionen eingebunden bin, klar auf Seiten der „Zionisten“. Dass ich im Titel dieses Beitrags zuerst vom „Staat Israel“ schreibe, sei doch wieder ein Indiz dafür. Ich sei also somit indirekt mitverantwortlich für das anhaltende Leid der Palästinenser. Gleichzeitig heißt es, da ich mit einer Palästinenserin verheira­tet war, die die Mutter meiner Kinder ist, mich gerne in arabischen Ländern aufhalte und enge Beziehungen dorthin pflege, stünde ich doch wohl auf Seiten der Palästinen­ser. Dass ich im Titel dieses Beitrags von der „Nakba der Palästi­nen­ser“ schreibe, sei doch wieder ein Indiz dafür. Ich sei also mitverantwortlich für die anhaltende existentielle Bedrohung Israels.

Auf welcher Seite also stehe ich? Möchte ich „unparteiisch“ sein, etwa weil ich meine, dass, wer weder Jude noch Araber, weder Israeli noch Palästinenser ist, sich nicht einmischen sollte in deren Konflikt? Und dass wir als Deutsche allen Grund hätten, uns zurückzuhalten? Ich meine tatsächlich, dass, wer nicht, wie jüdische Israelis, in einem Staat lebt, dessen Existenz von vielen nicht anerkannt, ganz offen in Frage gestellt und bedroht wird, und zu deren Alltag die Erfahrung allgegen­wärtigen Terrors und von Raketenan­griffen gehört, nicht wirklich beurteilen kann, wie damit umzugehen ist und sich mit dem Verurteilen dessen, was man selber anders machen würde, zurückhalten sollte. Und ich meine tatsächlich, dass, wer nicht, wie die Palästinenser, sein Leben unter Besatzung zubringt, denen elementare Grundrechte vorenthalten werden, und zu deren Alltag die Erfahrung von Diskrimi­nierung, von allgegenwärtiger Willkür und Gewalt von Soldaten und Siedlern gehört, manchmal auch von Bombardierungen aus der Luft, nicht wirklich beurteilen kann, wie damit umzugehen ist und sich mit dem Verur­teilen dessen, was man selber anders machen würde, zurückhalten sollte. Und ich meine tatsächlich auch, dass wir als Deutsche eine ganz besondere Verantwortung tragen für das, was Juden von Deutschen in undenkbarem Ausmaß angetan wurde. Und indirekt auch für das Unrecht, das, auch in der Konsequenz dessen, den Palästinensern angetan wurde und wird.

Aber „unparteiisch“ möchte ich nicht sein. Ich ergreife entschieden Partei, möchte mich leidenschaftlich einsetzen für eine Seite, deren Ziele und Hoffnungen mit vertreten – und ebenso leidenschaftlich die andere Seite anprangern, die für so viel Leid verantwortlich ist, das schon verursacht wurde, das gegenwärtig verursacht wird und das – leider – noch verursacht werden wird.

Der israelische Unabhängigkeitstag wird nach dem jüdischen Kalender gefeiert, das Datum war der 5. Ijar 5708; dieses Jahr fiel der Tag auf den 26. April. Am Vortrag wird traditionell der Tag des Gedenkens an die israelischen Opfer des Konflikts begangen. Schon seit Jahren wird aber auch alljährlich eine gemeinsame Gedenk­veranstaltung organisiert. Dieses Jahr fand sie am 24. April in Tel Aviv statt. Mehrere Tausend Angehörige von Opfern – Israelis und Palästinenser gleichermaßen – kamen zusammen. Gemeinsam trauerten sie um ihre Angehörigen. Und gemeinsam forderten sie, dass nicht noch mehr Opfer folgen sollten.

Ich stehe auf ihrer Seite.

Die Organisatoren, zwei Gruppierungen, die sich „Kämpfer für den Frieden“ und „Elternkreis – Familienforum“ nennen, mussten dafür erneut, dieses Jahr besonders heftig, gegen Widerstände der Behörden ankämpfen. Palästinenser benö­tigen eine Erlaubnis, um jenseits der Sperranlagen zu gelangen, die ihre Auto­nomie­gebiete umgeben und zerteilen. Nur durch Entscheid des israeli­schen Obersten Gerichts konnte ihnen die Teilnahme ermöglicht werden – gegen den Widerstand der israelischen Regierung, die das Zusammen­kommen verbieten wollte. Sie müssen sich aber auch zuhause über Unver­ständnis und Vorwürfe hinwegsetzen, dass sie den ‚geheiligten Widerstand‘ untergraben, der mit allen Mitteln fortgeführt werden müsse. Den israelischen Teilnehmern wird zuhause vorgeworfen, sie machten mit einem ‚den Nazis vergleichbaren Feind‘ gemeinsame Sache.

Die renommierte israelische Tageszeitung Haaretz schrieb dazu: „Die Gesichter der Teilnehmenden zeigten deutlich ihre Empathie – nicht für sich selber, denn nach Jahren von Hetze, Drohungen und Erniedrigung brauchen sie keine mehr – sondern für die andere Seite. Die Juden fordern Empathie von ihrem eigenen Volk für die Palästinenser, und die Palästinenser fordern sie für die Juden. Diese ganze Zere­monie erfordert Empathie, nicht im oberflächlichen Sinne von warmherzigen Gefüh­len, sondern im authenti­schen, tieferen und echt subversiven Sinne des Wor­tes: Empathie, deren Ziel die Fähigkeit ist, sich selbst in die Schuhe von jemand anderem zu begeben.“ (24.4.2023; Haaretz wurde noch vor dem Staat Israel geg­ründet und galt Jahrzehnte lang als die angesehene Qualitätszeitung, vergleichbar SZ und FAZ in einem, ein Aushängeschild des Landes. Heute wird sie von manchen, ganz besonders in der jüdischen Diaspora, als geradezu linksradikal stigmati­siert – selbst in München ist einem prominenten Journalisten von Haaretz „Antisemitismus“ vorgeworfen worden. Nicht, weil das Medium sehr viel linker geworden wäre, sondern weil die israelische Gesellschaft sehr viel rechter geworden ist.)

Ich möchte auf der Seite von Israelis und Palästinensern stehen, die auch die Perspektive der anderen gelten lassen, die weder den Terror der einen noch die Besatzung der anderen verharmlosen und die die Freiheit und Sicherheit beider Völker meinen, wenn sie von der erhofften Lösung des Konflikts sprechen. Ich stehe entschieden nicht auf der Seite derer, die alle Schuld auf der anderen Seite suchen. Nicht auf der Seite von Netanjahu und von „Hamas“; nicht auf der Seite von Muslimen, die Hass und Gewalt gegen Juden propagieren und das als vermeintlich „islamisch“ darstellen; und nicht auf der Seite derer, die pauschal Palästinenser (oder Araber oder Muslime) als Terroristen verdächtigen, ihnen ihre vollen Rechte als Volk absprechen; und auch nicht auf der Seite solcher, die ihre Religion, politische Interessen oder sogar den Antisemitismusvorwurf instrumentalisieren, um eine der beiden Seiten der Medaille auszublenden.

Als ich vor wenigen Wochen wieder in Jerusalem war, eingeladen von meiner Hebräischen Universität, waren im Flur des Hotels philosophische Weisheiten ausgehängt. Darunter ein Spruch des US-Amerikaners Zig Ziglar: „Das Leben ist ein Echo. Was du aussendest, kommt zurück. Was du sähst, erntest du. Was du gibst, bekommst du. Was du in anderen siehst, existiert in dir selbst!“ (13.6.2023)


„Er lehrte uns Hoffnung, in dieser, aber auch auf die andere Welt“ *

von Stefan Jakob Wimmer

Seit zwei Jahren schon hatte damals der Krieg Syrien zerrissen und zerrüttet, als der italienische Pater Paolo Dall’Oglio sich in die Höhle des Löwen wagte, nach Raqqa, dem Sitz von Da’esh in Syrien. (Da’esh war, und ist leider immer noch, die Terror­organisation, die gerne möchte, dass wir sie „Islamischer Staat“ oder „I.S.“ nennen.) Am 29. Juli 2013 kehrte er von dort nicht mehr zurück.

P. Paolo war in Syrien bekannt und durchaus nicht unumstritten, dafür, dass er als Jesuit den Dialog mit dem Islam so sehr im eigenen Herzen vollzog, dass er in seinem Buch „Verliebt in den Islam, an Jesus glauben“ (2009) von „doppelter Zugehörigkeit“ schrieb. Praktisch vollzog er diese Begegnung der Religionen in dem von ihm restaurierten und wiederbelebten Kloster Mar Moussa in der Wüste nördlich von Damaskus, wo sich katholische, orthodoxe und ostkirchliche Christen mit Muslimen trafen und alle gleichzeitig beten konnten – zuletzt kamen bis zu 50.000 im Jahr.

Im Januar 2018 berichtete Dr. Christian Rutishauser SJ, Provinzial der Schweizer Jesuiten, in der Evangelischen Stadtakademie München vom Weg und den Visionen P. Paolos. Damals war er fünf Jahre verschollen.

Jetzt sind es zehn. Bashar al-Assad ist immer noch syrischer Präsident, nachdem er weite Teile des Landes zerstört, Millionen Menschen in seinem Land ermordet und in die Flucht getrieben hat. Maßgeblich ermöglicht hat ihm das Putin, der inzwischen in Syrien nur noch einen Nebenschauplatz seiner Kriege fortführt. Es waren die Kurden, die die sich wie eine Flutwelle über die Region ergießende Gewaltherrschaft von Da’esh maßgeblich aufgehalten haben, und die in ihren Regionen zukunfts­weisende Strukturen aufbauten. Sie wurden und werden von Erdogans Krieg zer­trüm­mert und in jene Bedeutungs­losigkeit zurückgeschlagen, die sie für sie vorse­hen: Assad, Putin und Erdogan.

Freunde Abrahams besuchten im Herbst 2021 in Sulaimaniye, Irakisch Kurdistan, das Jungfrau-Maria-Kloster, in dem Pater Jens Petzold und Schwester Friederike von der Mar-Moussa-Gemeinschaft den Geist von P. Paolo lebendig erhalten. Sein Bild steht dort im Altarraum. Vielleicht ist Pater Paolo Dall’Oglio tatsächlich tot. Sein Geist aber darf nicht tot zu kriegen sein.

* Navid Kermani über P. Paolo Dall’Oglio in „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“ (2015), S. 186.

Paolo dall'Oglio

 


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Die Gute Nachricht

Friedenspreis an Bischof Malkhaz Songulashwili

Im letzten Heft der Abrahams Post bezogen wir uns auf eine Gebetsinitiative von Malhaz Songulashwili, Metropolitanbischof der Baptistisch-Evangelischen Kirche in Tiflis, Georgien (AP 42/2023, S. 22f. und Editorial). Schon ein Heft zuvor war er den Leserinnen und Lesern bei einer interreligiösen Dialogkonfe­renz in Qatar begegnet (AP 41/2022, S. 16f. – das hier erneut abgedruckte Bild zeigt den Bischof mit Rabbiner Reuven Firestone vom Hebrew Union College Los Angeles und Stefan Jakob Wimmer von den Freunden Abrahams). Am 31. August wird ihm der Friedenspreis der Initiative „House of One“ in Berlin verliehen. In der Preisbegrün­dung heißt es dazu:

Konferenz in Qatar„In bewundernswerter und eindrücklicher Weise setzt er sich seit Jahren für den Frieden unter den Religionen in Georgien und in der gesamten Kauka­sus­region ein. Frieden ist für Bischof Malkhaz nicht denkbar ohne den Einsatz für die Rechte und die Würde von Minderheiten und Notleidenden. Frieden ist für ihn nicht denkbar ohne Schönheit – deshalb seine Leidenschaft für die Peace Cathedral, für einen Sakralbau des Religionsfriedens in Tbilisi.“

 

 

 


Keine Bibelverbrennung

Als der Syrer Ahmed A. für den 15. Juli eine öffentliche Verbrennung einer Bibel vor der israelischen Botschaft in Stockholm anmeldete, schlugen die Wellen hoch. Israels Regierung protestierte und forderte, „den Akt puren Hasses“ zu verhindern. Ein enormes Medienaufgebot stand bereit, als der syrische Muslim dann jedoch das Feuerzeug von sich warf und erklärte, er habe nie die Absicht gehabt, die Bibel anzuzünden. Er wolle vielmehr angesichts der wiederholten Koranverbrennungen in Schweden ein deutliches Zeichen setzen, dass Muslime dergleichen nicht tun würden, und dass auch niemandem sonst erlaubt werden sollte, die Heiligen Bücher anderer zu verbrennen. (Quelle: tagesschau.de, 15.7.2023)

Berichtet wurde darüber in den Medien dann kaum – denn es war ja „nichts passiert“.


München wird Sitz der Europäischen Rabbinerkonferenz

„In München empfinden wir eine echte Herzlichkeit“, meinte Gady Gronich, Geschäftsführer der Europäischen Rabbinerkonferenz, als er begründete, warum die Organisation im September ihren Sitz von London nach München verlegen wird. Mit dem Jüdischen Zentrum am Jakobsplatz habe sich München außerdem „zu einem neuen Kristallisationspunkt für jüdisches Leben in Europa entwickelt“. Unweit des israelischen Generalkonsulats wird sie Räume im so genannten Prinz-Ludwig-Palais beziehen, einem Neubau an der gleich­nami­gen Straße, Ecke Türkenstraße. (Quelle: SZ 25.7.2023)

Herzlich willkommen ! ברוכים הבאים


„60 Jahre und viele Gründe zum Feiern“

waren mir Anlass, um anstelle von Geschenken um Spenden für die Freunde Abrahams zu bitten. Mehr als 3.000 Euro kamen zusammen und sind in auch finanziell angespannten Zeiten mehr als willkommen. Ein großes „Vergelt’s Gott!“ an alle, in Abrahams Schatzmeisters und in meinem Namen!

Stefan Jakob Wimmer


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Buchtipps

von Stefan Jakob Wimmer

Ahmad Milad Karimi: Maradona und das göttliche Spiel
Warum das Wesentliche unverfügbar bleibt

Eins der wenigen Bücher von Karimi, das ich eigentlich nicht lesen wollte – wegen des Titels, denn zu dem, was mich interessiert, gehört Fußball ganz entschieden nicht. Nun, das Buch fiel mir sozusagen zu – und jetzt gehört es zum Wert­vollsten, was ich je gelesen habe …

Der Klappentext, „Ahmad Milad Karimi geht der Frage nach, warum das Wesent­liche unseres Lebens einen Tanz der Unverfügbarkeit darstellt. Es geht um die Augenblicke des Segens, die zu ‚Gottesmomenten‘ werden können, aber auch um die Schmerzen, die das Leben unvermeidlich mit sich bringt“, kann das nicht klar genug vermitteln. – Lesen!

Patmos Verlag 2023, 127 Seiten, ISBN 978-3-8436-1412-2, 15,- €


Navid Kermani: „Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen“
Fragen nach Gott

„Das Buch (…) ist kein Wettbewerb, bei dem am Ende der Islam auf Platz eins landen soll. Solche Bücher gibt es genügend, und Sieger ist zufällig immer die eigene Religion.“ (S. 101) – Nein, der neueste Bestseller von Navid Kermani ist vielmehr ein fiktives Gespräch des Autors mit seiner Tochter über Gott, eine Sammlung von Fragen, was Religion denn überhaupt und eigentlich sei.

Vergleichendes kommt da vor, vehemente Kritik auch an dem Bild, das die eigene, islamische Religion abgibt. Aber viel mehr Übergreifendes, bestens geeignet, Gläubi­ge und Ungläubige jeder Art damit zu konfrontieren, worum es wirklich geht.

Die Fragen bleiben. Bezeichnenderweise erklärt der Autor, dass sein liebstes Wort im Koran dieses ist: „vielleicht“. Eins der besten, schönsten Bücher über Religion, überhaupt und eigentlich!

Hanser Verlag München 2022, 238 Seiten, ISBN 978-3-446-27144-9, 22,- €


Stephan Leimgruber: Vom Koran bis zur Erklärung von Abu Dhabi
Christlich-islamischer Dialog mit Fokus auf der Arabischen Halbinsel

Den Autor – langjähriges Mitglied und Manfred-Görg-Preisträger – muss man Freunden Abrahams nicht vorstellen. Er lebt seit seiner Emeritierung 2014 wieder in der Schweiz, von wo aus Bischof Paul Hinder als Apostolischer Vikar auf der Arabischen Halbinsel entsandt wurde. Durch die Zeiten verfolgt Prof. Leimgruber nun Chancen und Grenzen des christlich-islamischen Dialogs in Arabien. Mit der gemein­samen Erklärung von Papst Franziskus und dem Großimam von al-Azhar, Ahmad al-Tayyeb, von 2019 „Über die Brüder­lichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“ läge „ein grosser Wurf zur aktuellen Weltlage“ vor – so sie denn mehr wahrge­nommen und ernstgenommen werden würde.

Reich bebildert und mit einem Geleitwort von Kardinal Miguel Ayuso, dem Präsidenten des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog.

Theologischer Verlag Zürich 2023, 239 Seiten, ISBN 978-3-290-20235-4, 42,- €


Ernst Fürlinger: Handwerker der Hoffnung
Papst Franziskus und der interreligiöse Dialog

Mit der zuletzt besprochenen Thematik überschneidet sich teilweise das umfassender angesetzte Werk von PD Mag. Dr. Ernst Fürlinger, Religions­wissenschaftler an der Donau-Universität Krems. Darin sammelt er die wichtigsten Dokumente von Papst Franziskus zum interreligiösen Dialog bis 2022, mit einer vertieften Einleitung und Illustrationen.

Im letzten dieser Dokumente, einer Ansprache des Papstes in einer Moschee in Bahrain, heißt es gegen Schluss: „Uns, die wir von Abraham, dem Vater des Glaubens der Völker, abstammen, dürfen nicht nur ‚die Unseren‘ am Herzen liegen, sondern wir müssen uns immer geeinter an die gesamte mensch­liche Gemeinschaft richten, die die Erde bewohnt.“

Tyrolia-Verlag Innsbruck 2023, 285 Seiten, ISBN 978-3-7022-4099-8, 28,- € (auch als E-book)


Marian Offman: Jakov der Municher – Eine Roadstory im Mittelalter

Als langjähriger Stadtrat und nun Beauftragter der Landeshauptstadt für den interreligiösen Dialog ist Marian Offman in München gut bekannt. Als Buchautor hat er sich mit dem autobiographisch getönten Roman „Mandel­baum“ (2022; siehe Buchtipp Abrahams Post 42/2023 Seite 25) eben erst einen Namen gemacht – und legt nun schon einen weiteren Roman vor. Wieder thematisiert er existenzielle Fra­gen um jüdisches Leben in München – diesmal von den Anfängen in Mittelalter her.

Nicht viel ist historisch wirklich bekannt aus der Zeit, als 1285 zum ersten Mal Juden in München ermordet wurden (S. J. Wimmer: Blätter Abrahams 21, 2021, S. 57-65 und 22, 2022, S. 27-36). Offman geht es nicht um histori­sche Präzision. Er geht frei mit der Zeit um als Folie für Liebe und Offen­heit, Anfeindungen und Verfolgung.

Gewidmet ist sein Buch „allen jungen Familien auf der Flucht“.

BoD – Books on Demand, 312 Seiten, ISBN 978-3-7519-89466, 12,99 € (auch als E-book)

 


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Texte zum Nachdenken – Worte für die Seele

 

Auf der letzten Seite wollen wir Ihnen Gedichte, Lieder oder kurze Texte zum Nachdenken und für die Seele mitgeben. Für Ihre Anregungen sind wir immer dankbar!

Der folgende Text beschreibt keine religiösen oder philosophischen Über­legungen, sondern eine gängige Theorie aus der theoretischen Physik:

Die Stringtheorie besagt, dass das Universum nicht aus punkt­förmigen Teilchen, sondern aus winzigen, schwingenden Saiten besteht, wobei jeder Ton einem subatomaren Teilchen entspricht.

Wenn wir ein genügend leistungsfähiges Mikroskop hätten, könnten wir sehen, dass Elektronen, Quarks, Neutrinos etc. nichts weiter als Schwingungen winziger Gummiringe sind. Wenn wir das Gummiband oft genug in unterschiedlicher Weise zupfen, schaffen wir schließlich sämtliche bekannten Teilchen im Universum.

Das heißt, dass sich alle Gesetze der Physik auf die Harmonien dieser Strings reduzieren lassen. Die Chemie ist die Melodie, die man auf ihnen spielen kann, das Universum ist eine Symphonie und der Geist Gottes, über den Einstein so eloquent schrieb, ist kosmische Musik, die durch die Raumzeit widerhallt.


aus: „Die Gottes-Formel“ von Michio Kaku


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